3 Oh wie schön ist Kanada

Dieser Beitrag handelt von meiner 10-tägigen Reise durch Kanada und steht außerhalb der Reihe über mein Studium in New York. Er kann also auch ausgelassen werden.

 

Es geht unter anderem um die Sichtung und das Hören von Schlangen, Beeren, Bären, Koyoten und Spinnen, kalte Nächte und kalte Flüsse, unwetterbedingte Umzüge, eine Ein-Mann-Fähre, aufgehängtes "Bärenfutter" und Polarlichter.

Am 8. August, eine Woche nach meiner Ankunft in New York, bin ich schon wieder ins Flugzeug gestiegen und habe die Küstenseite Amerikas gewechselt: Einmal von New York nach Vancouver. Die Entscheidung fällte ich kurzfristig, nachdem ich beschlossen hatte, dass meine Klimaanlagen-Erkältung bis zum Flug-Tag verschwunden zu haben hat. Hat auch fast funktioniert.

 

In Vancouver habe ich Florence und ihren Freund Stoy getroffen und wir sind gut 2000 Kilometer richtung Osten mit dem Auto durch Kanada gefahren. Florence kenne ich seit 2006, mit ihr begannen die Abenteuerlust und das Fernweh, das offenbar auch sie regelmäßig packt - vor fast zehn Jahren nahmen wir an einem mehrmonatigen Schüleraustausch zwischen Frankreich und Deutschland teil , als wir beide gerade zarte 15 und 16 Jahre alt waren. Die ersten zwei Monate sprachen wir in Deutschland nur Deutsch, anschließend in Frankreich nur Französisch, und jetzt bei unserer Reise haben wir uns auf Englisch unterhalten. Es ist schon merkwürdig und erstaunlich, wie sehr sich auch das Verhalten und Eindrücke einer Person mit der gemeinsamen Sprachbasis ändern. Dabei ist es einigermaßen schwierig und fühlt sich unnatürlich an, nicht die "nächstgelegene" Sprache zu wählen, selbst wenn beide auch andere Sprachen einigermaßen gut beherrschen. Oder unterhält sich irgendeiner der mitlesenden Deutsch-Muttersprachler mit anderen Deutschen regelmäßig  einfach so auf Englisch?

Florence und Stoy sind gerade frisch verliebt und haben mich meistens eher geduldet und ab und zu ignoriert, was aber dem Abenteuerurlaub und der Schönheit der Landschaften keinen Abbruch getan hat.

Ich habe einige wilde Tiere von nah und fern beobachtet, denkbar unterschiedliche Landschaften gesehen, Umgebebungstemperaturen erfahren und Wetterlagen miterlebt. Aber schön der Reihe nach.

Tag 1 - Im Stadtpark kann man halt nicht zelten...

Die Flüge von New York nach Vancouver, allesamt mit Umstieg (über teilweise merkwürdige Zwischendestinationen wie Phoenix, was im Süden der USA liegt), kamen zu Unzeiten in Vancouver an. Meiner um 00:07. Nachdem Florence mit Stoy und ich uns schließlich gefunden hatten teilte man mir mit, dass eigentlich eine häusliche Schlafgelegenheit für diese Nacht angedacht war, leider aber in Vancouver nichts mehr zu finden sei. Auf gut Glück fuhren wir also zunächst einmal im Kreis durch die Stadt auf der Suche nach einem begrünten, versteckten Fleckchen Gras, auf dem wir das Zelt hätten aufstellen könnten, um schließlich festzustellen dass sämtliche Stadtparks denkbar ungeeignet waren. Ich erwachte schließlich gegen vier Uhr morgens aus einem Dämmerzustand, als wir irgendwo östlich von Vancouver auf einem Campingplatz klammheimlich unser Zelt aufschlugen (inklusive automatischem Luftmatratzengebläse). Am nächsten Früh sind wir gleich wieder aufgebrochen, nicht ohne noch ein stärkendes Frühstück im angrenzenden Lokal zu uns genommen zu haben (Waffeln mit Ahornsirup, krossem Schinken und Würstchen). Die Reise konnte beginnen!

Tag 2 - im kleinen Paradies

Schon am ersten ganzen Tag in Kanada konnte ich die wechselnde Landschaft bestaunen, die neben dem Autofenster vorbei zog. Die Landschaft war bergig, aber fast wüstenkahl, dann wieder grün wie im deutschen Frühling, dann eher steppenhaft wie in Südeuropa, und stets mit Flüssen oder Seen gesäumt. Die Straßen waren gut befahrbar, meistens aber nur zweispurig. Wenn es uns an einem Ort gefiel, machten wir Halt und blieben einen Moment. Immer wieder überholten wir die Eisenbahn, die kilometerlange Güterzüge hinter sich herzog, und mit drei Loks (zwei vorne, eine in der Mitte) im Schneckentempo und laut hupend durch die Landschaft fuhr.

Florence und Stoy hatten eigentlich vor, möglichst viel wild zu campen, weil das günstiger und spannender ist. Wir entschieden uns dann nach einigem hin und her (buchstäblich!) aber doch für einen Campingplatz an einem See und hatten damit ein echtes Glückslos gezogen: Campen ohne Wohnwagen scheint bei Kanada-Urlaubern eher wenig beliebt zu sein (ich sollte später noch merken, warum), wir hatten einen schönen, geschützten Platz für uns allein und wenige Meter entfernt einen kleinen See, in dem sogar ich baden konnte. Es sollte allerdings auch das wärmste Gewässer bleiben, dem ich auf der ganzen Reise begegnen würde - mit Abstand!

Tag 3 - Im Nationalpark

Nach einer erfrischenden morgendlichen Runde Schwimmen im See (auf die ich noch heute stolz bin) fuhren wir weiter zum Jasper Nationalpark. Er geht im Süden in den Banff Nationalpark über, beide beinhalten Teile der Rocky Mountains und sind ein beliebtes Touristenziel Kanadas für abenteuerlustige und sporttreibende Menschen im Sommer (Wandern) und Winter (Ski fahren). Allein der Aufenthalt im Park ist kostenpflichtig (wir haben etwa 70 kanadische Dollar für 4 Nächte bezahlt). Die "Infrastruktur" war dafür auch gut und trotzdem wirkte die Umgebung weitestgehend naturbelassen. Überall gibt es Seen und Flüsse, von denen das Wasser aufgrund von Auswaschungen aus dem Gestein hellblau bis weiß erscheint - und immer empfindlich kalt ist. Ich wärmeliebender Mensch konnte leider nicht drin baden, der Große Zeh bis maximal die Fußknöchel und bei viel gutem Willen die Waden waren mir bei Weitem genug.

Auf dem Weg in den Park machten wir noch eine tierische Begegnung der ungewöhnlicheren Art, auf die wir durch eine für kanadische Verhältnisse recht ansehnliche Menschenmenge aufmerkwam wurden...

Unser Zeltplatz im Park bestand aus nummerierten Plätzen mit Holzbänken, ein paar Informationstafeln, Toilettenhäuschen mit Sickergrube, einem großen Frischwassertank und bärensicheren Abfallbehältern. Überall wird davor gewarnt, Lebensmittel, Abfall, Kosmetika und sonstige "riechende" Dinge herumliegen zu lassen. Stattdessen soll man sie, je nach gegebenen Möglichkeiten, im Auto, in festinstallierten Metallschränken oder in vier Metern Höhe hängend in den Bäumen lagern (dazu später mehr). Kühlboxen taugen nicht als Lagerstätte, wie zerstörte, aufgehängte Kühlboxen eindrucksvoll beweisen. Die Mülleimer kann man nur per Knopf öffnen, der sich in einem für Bärentatzen zu schmalen Schlitz befindet. Zäune oder ähnliche Sicherungen gibt es keine, nur ein Bärspray, das genau genommen ein extrem scharfes Pfefferspray ist und bitte erst benutzt werden soll, wenn der Bär auch nah genug an einen herangekommen ist, um die Ladung abzukriegen. Weiterhin wird empfohlen, in die richtige Richtung zu sprühen.

Alles in allem fühlte ich mich also in meinem Zeltchen wie ein in Frischhaltefolie verpacktes Bärenleckerli, war aber durch die Tatsache beruhigt, dass die vor, hinter, rechts und links von mir Schlafenden vermutlich zuerst gefressen werden und entsprechend sättigend wirken dürften. Florence und Stoy schliefen in dieser Nacht in einer Hängematte neben dem Zelt. So ein hängendes Bündel ist für einen Bären sicher weniger kraftraubend als ein rundum eingeschweißtes, unförmiges Ding. Erfreulicher Weise wachte ich auch am nächsten Morgen wieder auf.

Attakiert hatte Florence und Stoy nur ein genervtes Eichhörnchen, dem die beiden offenbar mitten im Weg hingen. Also hat es mit Tannenzapfen geworfen und sie anschließend alle einzeln wieder abtransportiert.

Überhaupt wimmelte es nur so von kleinen, rotbraunen Eichhörnchen, die fast vogelartig zirpendes Piepsen und außerdem grillenartig rasselndes Warnklappern von sich gaben. Ein deutsches Eichhörnchen hab ich sowas noch nie von sich geben hören (Michael, du weißt bestimmt, was das für eines ist...?)

Tag 4 - Übernachtungsgast wird zum tiefgefrorenen Bärenfutter

Am nächten Tag starteten wir eine zweitägige Wanderung durch den Wald. Ich wurde gefragt ob es mir etwas ausmachen würde, in einer der zwei Hängematten zu schlafen. Da das Zelt sperrig und schwer war und die Kingsize-Luftmatratze mit akkubetriebenem Gebläse noch sperriger und schwerer, und da ich die auf Orangengröße zusammenfaltbaren Hängematten recht bequem fand, blieb mir gar nichts anderes übrig als ahnungsloserweise "Ja" zu sagen (Mama, ab jetzt nicht mehr so genau lesen). Wir parkten das Auto auf einem großen leeren Parkplatz und starteten die Wanderung, jeder mit einem Rucksack bepackt. Nach knapp 10 Minuten drehten wir wieder um, weil die Brücke über den Fluss, über den der Wanderweg führte, leider nicht mehr existent war. Glücklicherweise konnten wir einfach eine Autobrücke nehmen und den Weg, vorbei an Warnschildern mit Hundeverbot und Achtung Bären, fortsetzen.

Der Weg führte, trampelpfadähnlich, zunächst am Flüsschen entlang und entfernte sich dann von ihm. Es ging bergauf und bergab, meistens jedoch bergauf, durch einen sehr stillen und wüsten Wald. Hin und wieder gab es zwar fein säuberlich abgesägte, oder auch weniger fein abgehackte Baumstämme oder Kerben in der Baumrinde, grundsätzlich war rechts und links aber hauptsächlich ein wildes Durcheinander. So oder ähnlich stelle ich mir den mitteleuropäischen Wald vor, wenn man alle Förster entlässt. Buschwerk und Dickicht und viele entwurzelte und umgesürzte Bäume.

Tiere sahen und hörten wir kaum, von ein paar entenartigen Vögeln und vielen Eichhörnchen abgesehen.

Nach etwa sieben Kilometern, die uns deutlich länger als nur sieben vorkamen, erreichten wir einen "Campingplatz", der hauptsächlich deshalb einer war, weil ein entsprechendes Schild im Wald angebracht war. Es gab ein paar Pflöcke mit Zahlen drauf, damit sich die zahlreichen Camper nicht in die Quere kamen... Genau genommen waren wir auf dem ganzen Weg keiner einzigen Person begegnet. Immerhin hatte man aber aus Stämmen einen Tisch und Bänke zusammengenagelt und eine Häng-dein-Essen-auf-Anlage installiert. Außerdem gab es, schön weit weg von den Zeltplätzen, eine "Toilette", die mich an ein überdimensional großes Kindertöpfchen erinnerte. Wände etc. sind überflüssig.

Ernährt haben wir uns ganz unfein hauptsächlich von leicht zu transportierender Nahrung, die wenig Kühlung bedarf, also mit Wasser aufbereitbarem Trockenfutter. Nudeln mit Soße schmecken immer gleich, aber für eine gewisse Zeit kann man sowas schon mal essen. Mit Stirnlampe spielten wir noch bis in die Dunkelheit ein französisches Kartenspiel und begaben uns dann "zu Hängematte".

Natürlich hatte ich selbst keine Campingutensilien mitbringen können und musste deshalb mit den freundlichen Leihgaben Vorlieb nehmen. Bedauerlicherweise konnte man meinen Schlafsack nicht schließen, da der Reißverschluss kaputt war. Und obwohl ich alles angezogen hatte was ich dabei hatte und zusätzlich noch einen Fleecepulli von Florence bekam, war die Nacht leider eine der kältesten meines Lebens. Der eisige Gebirsbach kühlte herüber und auch sonst bewegte sich die Temperatur im unteren, wenn überhaupt zweistelligen Bereich. Ich hatte zwar genug Sterne zum zählen über mir und sah sogar eine Raumsonde, aber schlafen konnte ich trotzdem nicht. Von bewegungslos verharren über Emryonalstellung bis hin zum kontrollierten Warm-Zittern habe ich alles versucht, es war und blieb einfach eisekalt. Außerdem fühlte ich mich wie ein ungebetener Eindringling. Wie sagte Stoy so schön - die Tiere wissen längst alle, dass wir da sind. Und wenn einem davon jetzt einfiel, dass ein eisgekühlter Abendsnack ganz ausgezeichnet gelegen käme? Es ist wirklich ein komisches und vor allem ungewohntes Gefühl, wilden Tieren potentiell chancenlos ausgesetzt zu sein!

Mir blieb allerdings nichts anderes übrig als zu warten (auf was auch immer...). Irgendwann fing es schon an zu Dämmern und ich freute mich, dass bald die Nacht zu Ende sein würde. Dennoch bin ich zu meinem zweifachen Erstaunen am nächsten Morgen, sogar einigermaßen ausgeruht, aufgewacht. Das bedeutete nämlich einerseits dass ich überhaupt eingeschlafen war und andererseits, dass mich weder eine wildgewordene Horde Eichhörnchen, noch ein Schwarz- oder Grizzlybär, noch ein Rudel Wölfe oder Koyoten, noch ein paar Elche... also jedenfalls werde ich diese Nacht nicht so bald vergessen.

Tag 5 - Einmal Wasserfall und zurück

Am nächsten Tag machten wir uns auf zu ein paar Kilometer entfernten Wasserfällen. Ich wunderte mich ein wenig, dass ich nur im Schneckentempo den Berg herauf kam, bis uns irgenwann aufging, dass wir vermutlich auf mindestens 2000 Metern Höhe herumstiegen und der Sauerstoff etwas knapper war als sonst. Immer wieder legten wir an kleinen klaren Bächlein kurze Ruhepausen ein und tranken das kühle Wasser durch einen "Life Straw", einen dicken Strohhalm mit eingebautem Filter, mit dem man angeblich aus jeder Brühe Trinkwasser heraussaugen kann. Schließlich fiel mir ein, dass ein Wanderstock ganz nett wäre, und 10 Sekunden später fand ich praktischer Weise einen am Wegrand. Auch an einer Wildtier-Kamera kamen wir vorbei, die sinnigerweise direkt neben dem Wanderweg an einem Baum hing. Sie hat aber nicht ausgelöst als wir drei Wandertiere vorbei gingen.

Schließlich kamen wir an den Wasserfällen an, die sich von zwei Bergen hügelig und steinig in den kleinen Gebirgsfluss vereinigten, der immer mehr oder weniger nahe neben dem Wanderweg floss. Wir hatten sogar eine Angel dabei, aber in dem milchigen Wasser schon am Zeltplatz kein trübes Fischlein entdeckt. Außerdem gab es kaum beruhigte Stellen, und so angelten wir eben nicht. Immerhin weiß ich jetzt aber ganz grob, wie man mit so einem Gerät umgeht.

Der Rückweg war wenig spektakulär und vor allem lang. Recht abgekämpft kamen wir schließlich am Auto an, wo uns noch eine Art Erdmännchen begrüßte und wir uns mit Erdnussbutter-Marmelade-Sandwichs stärkten. Schließlich fuhren wir an einem Gletscher vorbei zum nächsten Campingplatz. Die Nacht war, wohl auch durch die humane Nähe vieler anderer Camper, etwas weniger kühl und ich habe eine Zeitlang in meiner Hängematte gelegen und zahlreiche Sternschnuppen gesehen (es war der 12. August, Herzlichen Glückwunsch nochmal nachträglich, David!). Geschlafen habe ich aber doch im Zelt. Erfreulicher Weise habe ich auch herausgefunden, wie man den Reißverschluss des Schlafsacks mit einem Trick doch schließen kann und bekam weiterhin noch einen Fleece-Innenschlafsack, so dass die folgenden Nächte allesamt erträglich für mich verfrorenes Fräulein waren.

Tag 6 - Des Eises Rauschen und leises Lauschen

Am nächsten Tag sind wir als erstes zu einem der benachbarten Gletscher gefahren. In der Umgebung gab es einige, es wurden sogar geführte Touren angeboten, und auf dem Gletscher, also auf dem Eis fuhren Busse. Es ist schon lustig bis merkwürdig, im Sommer bei annähernd sommerlichen Temperaturen an einem riesigen Eisfeld zu stehen, das sozusagen "plötzlich" vor einem auftaucht. Auf vielen Schildern und Tafeln wurde erklärt, dass der Gletscher in den letzten 100 Jahren um viele Hundert Meter zurückgegangen ist. Hat denn der Klimawandel vor 100 Jahren schon angefangen? Ich werde nicht mehr wirklich schlau aus den ganzen Informationen zum Klimawandel. Weiterhin wurde mit drastischen Bildern mehrfach eindringlich davor gewarnt, die gekennzeichneten Wege zu verlassen, weil man ansonsten leicht in versteckte (Gletscher-)Spalten fallen und sterben könnte. Sinngemäß: "Obwohl das Rettungspersonal geübt ist in der Rettung aus Gletscherspalten, waren die letzten drei Rettungen leider nicht erfolgreich." Das heißt übersetzt: Der "Erfolg" stellte sich erst ein, als der Gefallene schon erfroren war. Im Jahr 2001 hat es einen neunjährigen Jungen erwischt, der seine Rettung nach drei Stunden nicht mehr miterlebt hat.

Ich bin dann mal vorsichtshalber auf dem Weg geblieben, obwohl ich so eine Spalte zu gerne gesehen hätte und durch meine Höhlenerfahrung auch nicht gänzlich unerfahren und ahnungslos bin. Dachten sich wohl auch andere und spazierten munter durch die Gegend...

Weiterhin waren wir bei "Lake Louise", einem der unzähligen, großen, kalten Seen Kanadas und des Nationalparks. Daneben stand ein riesiges "Schlosshotel", welches ich verwöhntes Europäerkind aber nicht gerade ansehnlich fand. Wir sind also schön mit Badesachen und Handtuch zum See marschiert und mussten leider feststellen, dass wir quasi die einzigen mit Badeambitionen waren. Schnell war mir auch klar, warum - schon meine Füße ins Wasser zu stecken schmerzte vor Kälte. Gerade vor unserer Nase gab es dann aber doch einen sehr Mutigen, der es mit seiner Freundin eine Minute im Wasser aushielt. Florence (die auch an Weihnachten im Atlantik badet) und Stoy (der natürlich mithalten muss) sind dann auch tatsächlich kurz ins Wasser und ganz eingetaucht. Ich habe es immerhin während des Wartens geschafft, die Verweilzeit meiner Füße im Wasser um ein paar Sekunden zu verlängern, bis ich wieder aus dem Kneipbad steigen musste, um dem Absterben meiner Füße vorzubeugen. Ob ich nicht auch ins Wasser wolle? Nein, danke. Vermutlich könnte ich mich schon irgendwann daran gewöhnen, aber bestimmt nicht in fünf Minuten. Eher in fünfzig. So lange wollten die beiden aber dann doch nicht warten.

Am Abend waren wir in Banff, eines der zwei größeren Touristendörfchen in der Nähe. Das andere war Jasper im Jasper National Park und bestand hauptächlich aus einer langen Straße mit Geschäften rechts und links, während Banff im Banff National Park durchaus hübsch und abwechslungsreich gestaltet war (es gab z.B. sowas wie Abzweigungen). Wir hatten beschlossen, uns mal wieder echte Nahrung aus einem Restaurant zu gönnen und bestellten zusammen unter anderem einen Bison-Burger und Elch-Pizza. Ich bin ja immer dafür, fast alles zu probieren und muss sagen, dass sowohl Bison als auch Elch hervorragend schmecken und gut zubereitet waren. Auf dem Weg zum Restaurant ist mir noch ein besonders hübsches Vehikel begegnet, dass ich gewissen Liebhabern (Georg vielleicht?) nicht vorenthalten will.

Der Abend war dann besonders für mich noch sehr erheiternd. Nachdem wir den Park verlassen und einem Unwetter davongefahren sind, übernachteten wir am vermutlich größten Campingplatz weit und breit mit wohl mehreren tausend Plätzen. Offenbar sahen wir so verdreckt aus, dass wir einen Platz direkt neben den Duschen bekamen. Eine Dusche mit vier Wänden und einem Dach drüber, warmem Wasser und Abfluss ist wirklich etwas Wunderbares! Die Nacht war außerdem so warm, dass ich nochmal einen Versuch starten wollte, mein Hängematten-Trauma zu überwinden. Also hängte ich die Hängematte auf und legte mich schonmal probehalber zum Ausruhen hinein, als ich deutsche Stimmen am Lagerfeuer drei Meter weiter bemerkte. Überhaupt gibt es wirklich überall Deutsche, die breiten sich bis in die letzten Winkel der Erdkugel aus, es gibt kein Entkommen vor ihnen. Man sollte meinen, es gäbe nicht gut 80 Millionen davon, sondern mindestens doppelt so viele, ansonsten müsste Deutschland in der Reisezeit ja geradezu leergefegt sein.

Da ich im Ausland meistens Ausländisch spreche ist häufig die Frage, ob ich mich zu erkennen gebe oder nicht. In Frankreich, bei Florence, spielten wir mal einem anderen deutschen Austauschschüler einen üblen Streich, indem wir ihm sagen, ich verstehe kein Deutsch. Es war wirklich herrlich, das ganze Geläster mit anzuhören!

Und so verbrachte ich den Abend in meiner Hängematte und tat eigentlich gar nichts, denn ich fand mich bestens unterhalten von den Gesprächen meiner Campingnachbarn.

Es handelte sich um zwei oder drei Pärchen, teilweise mit halbstarkem Anhang, die mit Moster-Wohnmobilen angereist waren und wohl auch aus der Großregion Südostdeutschland stammten. Immer wieder schweiften die Gespräche ab über die "merkwürdigen Nachbarn mit ihren Hängematten".


"Ich könnte in so einem Ding ja nie schlafen, da würde ich ja mit solchen Rückenschmerzen aufwachen!"

"Ach, vielleicht üben die gerade für eine Tour auf den Himalaya! Da schlafen die sogar hängend an der Wand, über dem Abgrund!"

"Da könnte ich ja kein Auge zu tun!"

"Guck mal, jetzt hat die ihre Hängematte oben zugemacht, wie geht denn sowas??" [Der Stoff ist einfach breit genug...]

"Hm, soll ich rübergehen und einen Smalltalk anfangen?" [Schockmoment - was antworte ich da? Und wie, vor allem?] "Ach, nee, lieber doch nicht..."

"Diese Jungen Leute brauchen heute ja gar nichts mehr, um zufrieden zu sein. Ich bin ja damals in den 60er Jahren mit meiner damaligen Freundin und 1000 DM durch Griechenland gereist. Und jede Nacht um vier war unsere Luftmatratze leer, wir haben einfach das Loch nicht gefunden."

"Ja, was machen die denn, wenn es regnet?"


Und so weiter. Wir haben dann kurz vor unserer Abfahrt einen Zettel auf den Camping-Tisch gelegt: "Gute Reise noch! Eure Hängematten-Nachbarn." Was hätte ich gegeben um deren Gesichter bei der Rückkehr zu sehen!

Leider holte uns das Unwetter ein - ich hoffe, der Zettel wurde nicht vor dem Lesen in Brei verwandelt.

Tag 7 - Monster-Dino-mäßiges Unwetter mit Begleitung

Am nächsten Tag fuhren wir bis zum späten Nachmittag weiter. Die Umgebung veränderte sich sehr krass, von bergig und dicht bewachsen hin zu flach wie in Norddeutschland und kaum bewachsen. Bäume standen nur vereinzelt herum. Irgenwann gab es dann rechts und links von der Straße nur noch Feld und Zaun, und hinter dem Zaun tauchten erste Senken auf. Ich dachte zunächst, es handle sich um eine Kiesgrube oder irgend einen Tagebau, aber dann nahmen diese Gruben Ausmaße an, dass mir klar wurde - es handelt sich hier um einen Canyon! In der Dämmerung kamen wir schließlich am Dinosaur Park an. Man hat dort in den Schluchten offenbar über 300 gut erhaltene Dinosaurier-Skelette gefunden, die in der ganzen Welt ausgestellt werden. Überall stehen Schilder, dass das Zerstören oder Mitnehmen von Fossilien streng verboten ist.

An der ersten Aussichtsplattform stiegen wir aus. Hier gab es wieder Warnschilder (Mama, nicht mehr so genau lesen), auf denen gewarnt wurde vor gemeingefährlichen Kakteen, die auch Schuhe durchbohren, Skorpionen, schwarzen Witwen und Klapperschlangen. Angesichts der Gefahr, als Bärenfutter zu enden, erschien mir die Gefahr, in einen Kaktus zu treten geradezu lachhaft. Wir genossen die schöne Aussicht und den Sonnenuntergang (Bilder folgen weiter unten) und gingen zum Auto zurück. Da standen neben dem Weg auf einmal zwei Menschen und schauten ins Gras (Mama, jetzt am besten gar nicht mehr weiterlesen). Ich dachte, was gibt es da jetzt Spannendes? Das Spannende war doch tatsächlich eine stattliche Klapperschlange, die den Abend genoss. Sie war so gut getarnt, dass ich sie aus drei Metern Entfernung erst nach eingen Momenten überhaupt gesehen habe!

Leider war der einzige Campingplatz weit und breit schon voll, und da wir am nächsten Tag in den Park gehen wollten, planten wir unser Zelt ein paar Kilometer weiter am Straßenrand in einer Seitenstraße aufstellen. Kaum öffneten wir die Autotür, hörten wir ein merkwürdiges Surren und fragten uns, ob das vielleicht der Strommast sei. Doch mitnichten - es handelte sich um einen riesigen Schwarm blutrünstiger Mücken, die uns aussaugten! Überhaupt gab es überall, wo ich in Kanada gewesen bin, massenhaft monstermäßige Mücken, die scham- und gnadenlos Kartierungen auf sämtlichen freiligenden oder nicht dick genug bedeckten Körperteilen anfertigten. Ich bin sicher, ein Blinder hätte meine Reise anhand der Hubbel auf meinen Beinen nacherzählen können.

Als wir schlafen gingen, holte uns das Unwetter wieder ein, aber wir hatten ja unser schönes, superstabiles Zelt. Nach ein paar Stunden wachten wir wieder auf, allerdings nicht vom Sturmesgeheul, sondern vom Geheul von [Mama, ab jetzt... ach... gewöhn dich am besten daran...] Koyoten, die sich nur ein paar Meter neben unserem Zelt aufhalten konnten. Stoy kommt aus Montana und hat schon tausend Mal Koyoten heulen hören, ich fand das aber ziemlich unheimlich! Es hört sich an wie eine Mischung aus Hundegeheul und -gebell, allerdings noch etwas wilder und furchteinflößender, und das Ganze noch im Chor. Leider wurde zunehmend auch das Unwetter immer stärker und windiger und wir hatten Angst, dass uns das Zelt um die Ohren fliegt. Als wir schließlich nicht mehr schlafen konnten, weil wir die Zeltstangen festhalten mussten, haben wir schließlich nachts um vier Uhr alles zusammengepackt, uns triefend nass eine Stunde ins Auto gesetzt und die Heizung angemacht. Eine Stunde später fanden wir am Campingplatz einen verwaisten Stellplatz (was hatte die Camper nur vertrieben?) und bauten dort im Morgengrauen unser nasses Zelt wieder auf. Zum Glück lies uns das Unwetter in Ruhe noch ein paar Stunden schlafen.

Tag 8 - eine besondere Einkehr und eine Ein-Mann-Fähre

Wir unternahmen am nächsten Tag, neben ausgiebigen Waschungen von Körper und Kleidung auf dem Campingplatz, noch einen kurzen Spaziergang durch den Dinosaur Park. Es wurden dort auch horrend teure, mehrtägige Touren angeboten, da hätte ich gerne eine gemacht. Aber wir mussten ja demnächst schon ein paar hundert Meilen weiter in Regina ankommen, von wo ich zurück fliegen würde. Außerdem hat es leider wieder geregnet, und meine letzte Hose war schließlich auch noch nass, so dass wir recht bald weitergefahren sind.

Je weiter wir fuhren, desto einsamer wurde es und desto schlechter wurden die Straßen. Von breit und gut befahrbar über schmal und befahrbar, schmal und schlecht befahrbar, Schotterstraße, gar kein Straßenbelag war alles vertreten. Da kann man schonmal zwei Stunden geradeaus fahren ohne Gegenverkehr! Und überhaupt sind die Straßen in Kanada (und wohl auch in den USA) alle so lang und gerade, dass Tankstellen schon 100 km vorher angekündigt werden, Restaurants 20 km, und Kurven 1 km (früher als Bahnschienen...). Straßenschilder beinhalten, wenn überhaupt, höchstens einen Ortsnamen, ansonsten stehen nur Himmelsrichtungen und Straßennamen drauf. Die Dörfchen im Nichts preisen sich manchmal mit einer Vielzahl kleiner Symbol-Schilder an und behaupten, es gäbe so etwas wie Tourismusinformation, Hotel, Lebensmittelgeschäft oder eine Bibliothek. Manchmal steht auch "no service" darunter oder gar nichts, und manche Dörfer wirkten wie Geisterstädte, komplett verlassen und der angekündigte Lebensmittelladen seit mehreren Jahren leer. Außer Farmbetrieb und Öl gibt es da nicht viel. Felder und Öl dafür in rauen Mengen, überall ragen praktische Zapfhähne aus dem bewirtschafteten oder grasbewachsenem Boden. Mir wäre das ein bisschen zu langweilig auf Dauer, keine Wälder, keine Felsen, keine Hügel.

Manche der Dörfer oder Häuser erinnerten mich vom Aussehen und Verwarlosungsgrad fast an das russische Hinterland, andere glänzten durch fast ironisch hübsch gepflegte Vorgärten mit großen Autos in der Einfahrt.

In einem dieser Käffer gingen wir aus Neugierde in einen Pub. Es war so ein echter, uriger, alter Pub, ohne Fenster, düster und etwas verranzt, mit einer Monatstafel für Veranstaltungen (gänzlich leer). Drinnen saßen ein paar Männer und keine einzige Frau. Ich kam mir vor wie im Clownskostüm auf einer Beerdigung. Dieser Eindruck verflüchtigte sich allerdings sehr bald, denn der noch recht jugendliche Wirt und eine später dazukommende Freundin in unserem Alter waren so sympatisch und freundlich, dass wir doch eine ganze Weile geblieben sind, uns unterhalten und einige gute Tipps bekommen haben. Man wollte mir auch kanadisches Bier andrehen, aber alles was ich bisher probiert hatte schmeckte nach verdünntem Spülwasser. Am Ende hat der Wirt sogar noch das Bier von Florence und Stoy bezahlt und Florence zum Arbeiten eingeladen (sie plant so etwas wie Work and Travel in Kanada).

Kaum waren wir losgefahren, klebte uns auch schon eine Polizeistreife am Auto. Der arme Polizist hatte bestimmt jemanden zum Reden gesucht und darum darauf gelauert, dass der erste Pub-Abgänger mit dem Auto wegfuhr. Was soll man auch machen, wenn im Umkreis von 500 Kilometern nur 100 Menschen wohnen? Alkohol am Steuer ist da sicher ein aufregendes Ereignis. Leider, oder zum Glück konnte er bei uns aber nichts Verwerfliches nachweisen und hat uns freundlich wieder verabschiedet. 

Nach dem Hinweis des Wirts kamen wir an einen kleinen Fluss, über den es im Winter eine Eisbrücke gibt ("Im Winter ist es hier so kalt, da willst du dich nicht mal in einem Haus aufhalten") und auf dem im Sommer von 7 - 24 Uhr eine kostenlose Fähre verkehrt. Angeblich passen auf die Fähre sechs Autos, aber eigentlich war sie mit einem schon gut voll. Ich glaube nicht, dass die Fähre in ihrer Lebensgeschichte schonmal mehr als zwei Autos auf einmal befördert hat, wo doch höchstens alle paar Minuten oder Stunden überhaupt eines vorbei kommt. Die Überfahrt war auch nach zwei Minuten geschafft. Der Fährmann nächtigte mit seiner Frau und einer kleinen Tochter in zwei großen Wohnwagen auf der anderen Seite, und wir durften auf der Wiese unser Zelt aufschlagen.

Nachts unternahmen wir noch mit Taschenlampen eine kleine Wanderung durch die Finsternis. Stoy zeigte uns, wie man die Augenpaare von Wildtieren im Dunkeln reflektieren sieht, wenn der Lichtstrahl sie trifft. Bin ich froh, dass ich das nicht früher schon wusste, das ist nämlich sehr gruselig. Das Turtelpärchen wollte dann gerne noch allein spazieren gehen, und ich habe mich mutig 100 Meter allein vom Zelt entfernt. Als ich dann aber in ein undefinierbares und nicht allzu weit entferntes Augenpaar blickte, habe ich mich bis zur Rückkehr der anderen schön im Auto verschanzt.

Tag 9 - Sandfahren

Am nächsten Morgen half uns die fünfjährige Tochter des Fährmannes eifrig beim Zusammenpacken und wir verabschiedeten uns wieder. Der nächste Weg führte uns zu einer großen Sandlandschaft mit Dünen, auf denen man angeblich Schlitten fahren konnte. Als wir dort ankamen und ich mich ungefähr so ab vom Schuss wie auf dem Mond wähnte, war da doch tatsächlich noch ein anderes Auto (doppelt so groß wie unseres) mit einem Rentnerehepaar. Kaum liefen wir an den beiden vorbei, rief die Frau zu uns herüber "Seid ihr Bauern?" - "Nein, sorry!" - "Ach, schade, ich hab hier so viele Ähren und wollte mal wissen, was ich da so gepflückt habe!" Die Kanadier sind bisher das freundlichste und aufgeschlossenste Volk, das ich je getroffen habe. Man wird einfach so und selbstverständllich von fremden Menschen angeredet, ausgefragt und in Unterhaltungen verwickelt, mit Informationen überhäuft und sehr nett behandelt. Auf der Düne machte ich Bekanntschaft mit einer Frau, deren Nichte gerade in New York auf einem Klavier-Mesiterkurs gewesen war. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei meinem Professor war, ist groß, denn der hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einen gegeben. Wie klein ist die Welt!

Das Sanddünen-Fahren hat nicht ganz so gut geklappt wie gewünscht, weil der Sand noch etwas feucht war. Unser aufgeblasener Reifen erwies sich als untauglich. Aber freundlich wie die Menschen sind haben sie uns ihre Plastikschale ausgeliehen, und so konnte jeder von uns trotzdem noch eine echte Abfahrt genießen!

Als wir wieder zurück kamen, hörten wir gerade die Ähren-Frau andere Leute nach Bauern-Kenntnissen fragen, diesmal hatte sie Glück. Würde einem so etwas in Deutschland passieren? Wohl kaum, man würde doch eher für leicht komisch gehalten.

Wir kamen schließlich noch an einen mittelgroßen Stausee mit kleinem, kostenlosen, mittelspannend gestalteten Museum über den Energieverbrauch und die Tierwelt der Umgebung. Es gibt allerlei Wild, Gazellen, Elche und so weiter, Koyoten, Wölfe, Wildkatzen, viele verschiedene Vögel und Kriechtiere.

Der Stausee verfügte über einen großen Sandstrand, aber wir mussten uns ein Schlaflager suchen. Die ausgewiesenen Camping-Plätze fanden wir leider nicht und an der Information des Museums kannte man die Karte nicht, die am Eingang verteilt wurde. Schließlich nächtigten wir doch auf einem Camping-Platz, waren die einzigen Gäste und machten sogar ein Grill-Feuer in einem der bereitgestellten Grills. An den Tisch setzten wir uns lieber nicht, Stoy meinte, kleine schwarze Witwen daran hängen gesehen zu haben ("die halten sich gerne da auf, wo Menschen sind"). Er klärte Florence und mich auch auf, was es sonst noch für giftige Spinnen hier gebe, und dass eine davon in dem hohlen Baumstamm da drüben in ihrer Röhre hauste. Als mir dann eine Raupe daherkroch, habe ich böses, experimentierfreudiges Wesen sie der Spinne zugeworfen. Die kam tatsächlich gleich angeblitzt und hat die Raupe ausgesaugt.

Nachts haben wir wieder Koyoten gehört. Die sind zwar nicht groß, aber einem hungrigen Rudel möchte ich trotzdem nicht begegnen.

Tag 10 - Ende Gelände

Am nächsten Tag ruhten wir uns ein bisschen am "Strand" des Stausees aus. Wäre es etwas wärmer gewesen, hätte sogar ich darin schwimmen können, aber ich beschränkte mich mal wieder auf ein Fußbad und eine gemütliche Lektüre und Spaziergang am Strand entlang.

Wir fuhren schließlich weiter richtung Osten und verbrachten die letzte Nacht in einem weiteren kleinen Park, der sehr kommerzialisiert aussah. Es gab einen Bison-Park, allerdings konnte ich nur eines in der Ferne sehen. Ein kleines Highlight im wahrsten Sinne des Wortes war aber das Polarlicht, das wir am wunderschönen Sternenhimmel sahen! Es war nicht blau oder grün, wie man es von Bildern vom Nordpol kennt, und ich hätte es wohl gar nicht als solches erkannt. Doch Stoy und Florence kamen irgendwann ganz aufgeregt angerannt und wir sind mit dem Auto an eine etwas erhöhte Stelle gefahren. Tatsächlich konnte ich dort wolkenartigen Nebel am Himmel entdecken, durch den man die Sterne noch sehen konnte und der sich langsam verformte, blasser und wieder heller wurde. Brauchbare Bilder habe ich davon natürlich leider nicht.

Tag 11 - ein langer Rückweg

Am nächsten Mittag bin ich von Regina aus wieder zurück nach New York geflogen und musste in Toronto warten und umsteigen. Ich hatte relativ viel Zeit, habe mich aber trotzdem sofort auf den Weg zum Gate gemacht, wofür ich eine gute Stunde gebraucht habe. "Die" lassen sich anscheinend immer andere Systeme einfallen, wie man tausende Leute "schnell" durch die Passkontrolle in Richtung USA schleusen kann. Zunächst musste man seinen Pass und Boardkarte an einem Automaten scannen und dann warten, bis der eigene Name auf einem großen Bildschirm auftauchte, bis man zu "Step 3", der Passkontrolle gehen durfte. Als mein Name nach entsprechender Wartezeit immer noch nicht aufgetaucht war, scannte ich meine Unterlagen noch einmal - und schwupps, "Please go directly to Step 3". Na dann.

In meinem Bett angekommen bin ich dann Nachts um kurz nach 2 Uhr, nachdem mein Flugzeug mit einer Stunde Verspätung abgeflogen und gegen 11 Uhr abends in New York (New Jersy, um genau zu sein) gelandet war. Der Pilot kündigte 27° Fahrenheit an, was ungefähr -3° sind, und ich dachte schon - huch, hat es hier so abgekühlt? Als er dann allerdings 90° Celsius hinterherschob, wurde auch ihm selbst schnell klar, dass er da etwas verwechselt hatte...

Mit dem Air-Train am Flughafen, einem ziemlich langsamen Zug, der U-Bahn und einem Fußmarsch durch Harlem war ich schließlich verklebt und überhitzt zu Hause. 27° bei 80% Luftfeuchtigkeit sind sogar für mich Hitzefreundin etwas anstrengend.


Nun hat die größte Einöde mich wieder in die größte Großstadt ausgespuckt, und die Musik- und Studienwelt hat mich zurück. Heute in der U-Bahn ist mir ein riesiger Schmetterling begegnet, den ich erst für einen Vogel gehalten habe (!). Ein kleiner Junge hat ihn gejagt, und er hat auf meinem Bein Zuflucht gesucht (vergebens...). Außerdem hatte ich heute meine erste offizielle Unterrichtsstunde mit meinem Klavierprofessor Jerome Rose; den Kandidaten nach mir hat er gleich mal dazu gebracht, in Tränen aufgelöst eine kurze Auszeit zu nehmen (obwohl er durchaus Recht hatte). Demnächst mehr dazu!



Kanadische Besonderheiten:


Kurven und Kreuzungen, über weite Landstriche auch Ampeln, Brücken, Tunnel und sonstige Verkehrsaufreger sind außerhalb der Städte Mangelware. Deshalb sollte man lieber ein Schild aufstellen, das eine Kurve ankündigt, falls man das Lenkrad mit dem Seil an der Autotür festgebunden hat...


In Kanada gibt es eine systematische Mülltrennung! Das macht das Land in dieser Hinsicht sympatischer als die USA. Sogar bei öffentlichen Mülleimern gibt es (wie bei uns z.B. auf Bahnhöfen) verschiedene Löcher für den Einwurf.


Die Landschaft verändert sich relativ schnell. In nur 10 Tagen sah ich hohe Berge, bedeckt mit Gras, Buschwerk, Bäumen, Schnee oder auch gar nichts, steppenartige Landschaft, Gegenden, die mich an eine Steinwüste erinnerten, alpine Landschaft, dichten Urwald, flaches Land ohne Bäume und einen großen Canyon.


Die Lebenshaltungskosten in Kanada sind, was die Lebensmittel angeht, eher hoch und die Preise schwanken sehr. In jedem Supermarkt begegnete mir eine 133 Gramm (!) Dose "Wiener Würstchen", die natürlich nur Bruchstücke selbiger enthalten konnte, da sie etwa die Größe einer Bonbondose hatte. Die Preise schwankten zwischen 2 und 6 kanadischen Dollar. Ich möchte die Person sehen, die 6 Dollar für vier Stückchen Wiener Wurst bezahlt, die im Ganzen vermutlich ungefähr eine halbe ganze Wurst ergeben.


Die Kanadier sind unglaublich freundlich und sprechen einen einfach so an. Einmal saßen wir vor einem Kiosk und verspeisten das größte Eis in der kleinsten Waffel, das ich je gegessen habe, und planten die nächste Route. Da kam ein Mann herüber und sprach uns an, er hätte so mitgehört. Es entstand eine angeregte, lange Unterhaltung über alles mögliche, und am Ende bekamen wir noch selbstgebackene Zimtkekse!

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Kommentare: 2
  • #1

    Lisa (Montag, 24 August 2015 01:29)

    Hallo liebe Anne,
    Spannend, was du so alles erlebst! ... Und dann auch noch mit Florence! Salut Florence! ;) Danke für deinen sehr amüsanten Blog, der mir heute meine Nachtschicht versüßt hat! Dir weiterhin alles Liebe aus deinem geliebten Heimatland! P.s. Wenn sich ein Schmetterling auf dir ausruht, dann soll das Glück bringen, hat man mir gesagt. Da dein Schmetterling fast so groß war wie ein Vogel (ich wäre sicher schreiend Weg gerannt!) hast du vllt besonders großes Glück? Ich wünsche es dir! Pass weiter gut auf dich auf! Deine Lisa F.

  • #2

    Michael (Montag, 31 August 2015 19:41)

    Hallo Anne,
    Nachdem Du schon zweimal gefragt hast:
    Das erste war ein Ground Squirrel - frech aber süß!
    Das zweite war eine Dame aus der Familie der Raufußhühner, genaueres kann ich Dir ohne meinen Vogelführer für Nordamerika, den ich - vielleicht verständlich - nicht auf Langeoog im Urlaub (seit gestern) dabei habe. Ich werde Zuhause nachschauen.
    Die Sache mit der Klapperschlange war nicht ganz so harmlos, wie sie aussah. In der Dämmerung, morgens wie abends, werden wechselwarme Tiere notgedrungen träge und können daher nicht mehr schnell fliehen. Also was tun, wenn der Feind naht? Richtig - Zubeißen!