2 Aufnahmeprüfung und Planung - es wird ernst


Eine Anreise mit sämtlichen Verkehrsmitteln, WG mit zwei Schildkröten, Nützlichkeit eines Tür-Spions und immer noch ganz viel Aufregung


Am 25. Februar habe ich meine würzburger Wohnung verlassen, ging zu Fuß zur Straßenbahn, fuhr mit der Straßenbahn zum Bahnhof, mit dem Zug nach München, mit der S-Bahn zum Flughafen, auf dem Rollband zum Gate und flog dann nach Oslo. In Oslo habe ich von 24-6 Uhr auf einer gepolsterten Café-Bank gedöst (den Koffer neben mir angekettet), und bin dann von diesem Flughafen, der kleiner ist als der Münchner Bahnhof, nach Helsinki geflogen. Von Helsinki ging mein Flug nach New York. Dort nahm ich die Schwebebahn zum richtigen Ausgang, dann den Air-Train nach Manhatten, die U-Bahn nach Harlem und bin dann zu Fuß zu meiner AirBnB-Wohnung gelaufen. Nach einer sehr steilen Treppe war ich am nächsten Abend da. Ohne Verlaufen und ohne erschossen zu werden. Das größte Problem war, in welcher Richtung ich meine Nahverkehrs-Magnetkarte durch den Schlitz am Drehkreuz ziehen muss...

 

Ich wohnte in einem kleinen Zimmer in einer Wohnung im Keller in Harlem, in der es noch einen Mann mit seiner Mutter gab (sie sprach hauptsächlich Spanisch, habe aber nicht viel verstanden), einen Gesangsstudenten, der sich für eine andere Hochschule beworben hat und zwei Schildkröten, die ein sehr bedauerliches Leben in einer fingertief mit Wasser befüllten Plastikkiste fristeten.

Ich war insgesamt zehn Tage in New York, habe aber nicht so viel Zeit für Besichtigungen gehabt. Das 9/11-Memorial habe ich gesehen, Brooklyn-Bridge und Freiheitsstatue von weitem, ein einziges Museum und das auch nur kurz (Planetariums- show, war aber super!). Ich bin die hälfte des Broadway entlang gelaufen, der sich durch fast ganz Manhattan zieht und die meiste Zeit eine ganz normale Straße ist, habe den Time Square gesehen, der wirklich mehr blinkt und glitzert als das würzburger Volksfest, und eine Broadway-Show (Les Misérables). Die war auch wirklich atemberaubend gut, die Sänger klasse, das Bühnenbild auch, und es hat sich innerhalb von Sekunden verwandelt!

Die meiste Zeit habe ich mit Unterricht bei Prof. Rose, Klavierüben und Infoveranstaltungen von meiner neuen Hochschule, der Mannes School, verbracht. Die Perfektion der Organisation dort ist unglaublich, sowas habe ich noch nie gesehen. Die ganze Aufnahmeprüfungswoche lang werden Führungen und Infoveranstaltungen angeboten, man bekommt Unterlagen und Material, es gibt einen Infocounter und Studenten, die die wenigen Überäume gerecht verteilen, außerdem jeden Tag kostenloses Buffet mit frischem Obstsalat. Ich dachte, ich seh nicht recht. Hat aber natürlich seinen Preis (...)  und die Überäume sind auch sehr klein. Prof. Rose unterrichtet zu Hause auf seinen zwei Steinway-Flügeln, bei meiner letzten Unterrichtsstunde kamen plötzlich ganz viele Studenten, die bei ihm studieren und ihm vorspielen wollten. Es fielen dann Sätze wie "Your teacher should have made you play better" oder "You play like you were practicing". Da war ich doch froh, dass ich mir einigermaßen sicher sein konnte, dass er mich als Studentin haben will.

 

Die Aufnahmeprüfung war natürlich auch perfekt organisiert und jeder hatte exakt zehn Minuten Zeit. Ich habe einen Türspion entdeckt, durch den ich am Tag 1 von 3 der Klavieraufnahmeprüfungen ein bisschen beobachtet und gelauscht habe, um mental vorbereitet zu sein. So konnte ich erahnen, was ich aus meinem gut 60-minütigen Programm wohl spielen müssen würde.

Ich war natürlich sehr aufgeregt, habe aber ganz ordentlich gespielt. Rose war Teil der x-Köpfigen Jury (hab nicht gezählt, mindestens fünf) und hat mich danach nett angelächelt. Es ist ein sehr komisches Gefühl, sich monatelang auf einen Moment vorzubereiten, der dann nach einem Wimpernschlag plötzlich vorbei ist. Die ganze Anspannung und Konzentration, die man dafür in sich abspeichert, kann sich so schnell gar nicht entladen und muss danach stundenlang abgebaut werden. In solchen Momenten weiß ich kaum wohin mit mir, ich könnte einfach nur sitzen und gar nichts tun vor lauter Gefühlschaos, andererseits habe ich auch ein großes Mitteilungsbedürfnis.

Nach der Aufnahmeprüfung, die abends um halb acht war, war ich mit einer neuen New Yorker Freundin (ehemalige Schülerin von Prof. Rose) was essen und habe mich danach mit meinen amerikanischen Freunden aus Phoenix getroffen, die mir nun bei der Organisation helfen, und die auch gerade in New York waren.


Nach meiner Zeit in New York war ich noch bei diesen Freunden in Phoenix, Arizona, und wir haben zusammen ein paar Konzerte gespielt. Ich habe mich drei Tage lang nicht getraut, Prof. Rose anzurufen. Irgendwann hab ich doch angerufen und er hat irgendwas erzählt, um dann mal in einem Nebensatz zu erwähnen, dass ich natürlich bestanden habe. Dauergrinsen hoch drei! Wie cool!!

Wieder zurück muss ich nun zusehen, wie ich das alles bezahlen kann. Trotz 25% Studiengebührenerlass von Mannes und zwei kleinen Stipendien aus Deutschland bleibt noch immer eine fünfstellige Summe für das erste Jahr des Masters übrig. Aber ich bin nicht untätig - ich habe mir eine junge Familie gesucht, bei der ich wohnen kann, wenn ich ein bisschen im Haushalt und mit der kleinen Tochter helfe. Das ist auch viel spannender und angenehmer, als sich für den Preis eines Mittelklassewagens ein Jahr lang im Wohnheim ein Zimmer mit irgendjemandem zu teilen. Man muss nur einfallsreich sein! Konzerte werde ich in Deutschland auch noch ein paar spielen, solo und Tschaikowsky b-moll mit Orchester, und außerdem meinen Diplom- und Bachelorabschluss im Juni machen. Zwischendurch musste ich noch schnell meine Diplomarbeit schreiben. Die letzte große organisatorische Hürde ist jetzt noch das F1-Visum, das man gar nicht so ganz leicht bekommt... Aber es wird nun bestimmt nicht daran scheitern.

Ende August geht das Studium los! Ich freue mich und hoffe, dass alles klappt!


Genauere Berichte zu Stadt, Lehrer, Schule und Erlebnissen folgen dann, sobald ich dort bin, ich will ja nicht alles schon vorweg nehmen und auch niemanden langweilen.


Bis bald aus dem Big Apple!

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